top of page
Die Funktion des vorderen Kreubandes
Abb. 1

Die Funktion des vorderen Kreuzbandes

 

Das Knie ist mit seinen großen Knorpelflächen, den Menisken und den Bändern eine komplexes Gelenk und bekanntermaßen sehr anfällig für Verletzungen. Die wichtigsten Stabilisatoren des Kniegelenkes sind die Kreuzbänder, wobei zwischen dem vorderen und dem hinteren Kreuzband unterschieden werden muss. Sie laufen gekreuzt im Zentrum des Kniegelenks zwischen Ober- und Unterschenkel. Aufgrund seiner zentralen Lage im Kniegelenk ist das vordere Kreuzband ein wichtiger Stabilisator, der das Kniegelenk bei nahezu allen Bewegungen führt. Daher ist ein intaktes vorderes Kreuzband für einen reibungsfreien und harmonischen Bewegungsablauf des Kniegelenkes wesentlich. Das vordere Kreuzband besteht aus zwei relevanten Segmenten, einem vorderen, etwas weiter innen laufenden, sog. anteromedialen Bündel sowie dem hinteren sog. posterolateralen Bündel (Abb. 1).

Das vordere Kreuzband
Fußball Sport

Abb. 1: Links: Das vordere Kreuzband (rot und blau) liegt vor dem hinteren Kreuzband (gelb). Das vordere Kreuzband setzt sich aus zwei Segmenten, einem vorderen, etwas weiter innen laufenden, sog. anteromedialen Anteil (blau) sowie dem hinteren sog. posterolateralen Anteil (rot) zusammen. Rechts: Im Sport ist das vordere Kreuzband bei jeglichen komplexen Kniebewegungen von besonderer Bedeutung. Mit seinem funktionellen Aufbau und seiner zentralen Lage im Kniegelenk ist das vordere Kreuzband ein wichtiger Stabilisator. Bei Rotationsbewegungen, verschiedenen Beugegraden, Stop-and-Go Bewegungen, Schussbewegungen, etc. ermöglicht das vordere Kreuzband eine sichere Führung des Kniegelenkes.

Beide Segmente des vorderen Kreuzbandes zeigen abhängig von der Beugung im Kniegelenk eine unterschiedliche Distanz und damit ein unterschiedliches Spannungsverhalten (Abb. 2). Die anteromedialen Fasern (blau) stabilisieren das Knie hauptsächlich vor allem in Beugung gegen eine zu starke Verschiebung des Schienbeinkopfes nach vorne. Die hinteren posterolateralen Fasern (rot) stabilisieren das Knie in strecknahen Positionen und schützen hier das Knie gegen zu starke Drehbewegungen (sog. Rotationsstabilität). Wie in Abbildung 2 zu sehen führt das Übergehen in strecknahe Positionen zu einer Distanzvermehrung der hinteren Faseranteile. Dies führt zu einer vermehrten Anspannung und somit zu einer vermehrten stabilisierenden Funktion dieser Kreuzbandanteile in strecknahen Positionen. Ist die Funktion dieses Anteiles des Kreuzbandes aufgehoben oder im Rahmen einer ineffektiven Kreuzbandplastik nicht wieder hergestellt, so zeigt sich in strecknahen Positionen eine vermehrte Verschieblichkeit bei Drehbewegungen im Kniegelenk.

Das vordere Kreuzband bei Beugung und Streckung

Abb. 2: Das Übergehen in strecknahe Positionen führt zu einer Distanzvermehrung der hinteren Fasern, dem sog. posterolateralen Bündelanteil (rot). Dies führt zu einer vermehrten Anspannung und somit zu einer vermehrten stabilisierenden Funktion dieser Kreuzbandanteile. Somit erzielt das hintere, posterolaterale Bündel eine Kniestabilisierung in strecknahen Positionen. Somit schützt dieser Kreuzbandanteil in diesen Positionen das Knie gegen zu starke Drehbewegungen. Man spricht von einer sog. Rotationsstabilität. Man kann sich gut vorstellen, wie gestört die Funktion des Kniegelenkes ist, wenn bspw. in strecknahen Positionen bspw. Richtungswechsel und damit Rotationsbewegungen im Kniegelenk erfolgen. Sportler mit Kreuzbandplastiken, die bspw. das hintere Bündel nicht effektiv ersetzen berichten dann von spürbaren Instabilitäten und Beschwerden bei Sportarten wie Basketball, Handball, Fußball, usw. aber auch schon beim Gehen auf unebenen Böden wie bspw. im Golfsport, beim Wandern, usw.

Festzuhalten bleibt, dass das sog. posterolaterale Segment (rot), sich in Streckung anspannt. Das vordere, sog. anteromediale Segment (blau) kommt in Beugung unter Spannung. Mit diesem funktionellen Aufbau sichert das vordere Kreuzband in jeglichen Stellungen und diversen Bewegungsrichtungen des Kniegelenkes einen hohe Stabilität. Somit kann das vordere Kreuzband in verschiedenen Beugewinkeln die aufeinandergleitenden Gelenkpartner stabil halten. Hiermit sichert es einen harmonisch geführten Bewegungsablauf des Kniegelenkes. Ist das vordere Kreuzband geschädigt, finden bereits bei jedem Schritt kleine, aber dennoch schädigende Verschiebebewegungen statt. Hierdurch werden bis dahin noch gesunde Kniestrukturen, wie der Meniskus und der Gelenkknorpel, angegriffen. Im Weiteren zeigt sich eine fortgeschrittener Verschleiß des Kniegelenkes.

Abb. 2
Allgemeines zm Riss des vorderen Kreuzbandes
Abb. 3

Allgemeines zum Riss des vorderen Kreuzbandes


Bei einem kompletten Riss ist das gesamte Kaliber des Kreuzbandes durchtrennt und somit die stabilisierende und gelenkführende Funktion des vorderen Kreuzbandes vollständig verloren gegangen (Abb. 3). Meist reißen die Kreuzbänder nahe der Ansatzstelle am Oberschenkelknochen oder mitten im Verlauf. Nachdem die Aufhängung am Knochen verloren gegangen ist, sackt der untere Anteil nach unten ab. Hierdurch vergrößert sich die Distanz zum Oberschenkelknochen, weshalb es nicht mehr “von alleine“ im Bereich der Risstelle bzw. der Abrissstelle am Oberschenkel heilen kann.

Frischer kompletter Riss des vorderen Kreuzbandes
Arthroskopisches Bild eines alten Kreuzbandrisses

Abb. 3: Links: Skizzierung eines frischen kompletten Risses des vorderen Kreuzbandes. Nachdem hier die Aufhängung am Knochen verloren gegangen ist, sackt der untere Anteil ab. Hierdurch vergrößert sich im Verlauf die Distanz beider Rissenden bzw. zum Oberschenkelknochen, weshalb eine spontane Ausheilung nicht zu erwarten ist. Rechts: arthroskopisches Bild eines alten Kreuzbandrisses. Vom oberen Teil (roter Stern) findet sich noch funktionsloses Restgewebe. Der untere Stumpf (grüner Pfeil) ist zum hinteren Kreuzband abgesackt und weist keine stabile Verbindung zum ursprünglichen Ansatz mehr auf. Die eigene Erfahrung aber auch klinische Studien belegen, dass bei akut verletzten Kreuzbändern ein naturgegebenes Selbstheilungspotential vorhanden ist. Das heißt, dass eine spontane Neigung, auf biologischem Wege von selbst wieder festzuwachsen ist vorhanden. Leider hilft dies dem gerissenen Kreuzband nicht, da die Aufhängung am Knochen verloren gegangen ist und der untere, größere Anteil des Kreuzbandes nach unten absackt und auf dem darunter liegenden, hinteren Kreuzband liegen bleibt. Hier verklebt und vernarbt der schlaff auf dem hinteren Kreuzband. Man spricht dann von einer sog. “Lambda Heilung“ bzw. “Lambda-Repair“. Nachdem diese Vernarbung  nicht an der anatomisch korrekten Ansatzstelle am Oberschenkelknochen erfolgt, trägt dies für eine spätere, adäquate Kniestabilität nicht mehr bei. Vielmehr ist dieses Verkleben bzw. Vernarben zwischen dem frisch vorderen Kreuzband mit dem hinteren Kreuzband als vollkommen funktionslos zu sehen.

Ein Riss des vorderen Kreuzbandes entsteht oft ohne Kontakt des Verletzten bspw. wenn das Kniegelenk bei angespannter Oberschenkelmuskulatur ungünstig verdreht wird. Sportarten mit schnellen Richtungswechseln, also insbesondere Ballsportarten und das Skifahren auf beinhalten häufige Drehbewegungen bei angespannten Muskeln und Bändern. Oft sind es bereits kleine, aber abrupte Richtungsänderungen im Bewegungsablauf, die einen Kreuzbandriss verursachen. Das geschieht schneller als es dem Sportler bewusst ist: Muss zum Beispiel beim Basketball oder Fußball spontan ausgewichen und die Richtung gewechselt werden, ist dies eine typische Gefahrensituation. Meist entstehen solche Gefahrensituationen beim Sport, können aber auch im Alltag passieren. In dem Moment, in dem ein Kreuzband reißt, ist gelegentlich ein Reissen, ein Knallen oder ein Knacken hörbar. Das Knie schwillt an und schmerzt. Zunächst lassen die Schmerzen recht rasch nach, im Weiteren Verlauf kommt es bei erneuter Belastung wiederum zu Beschwerden. Ist das Knie stark angeschwollen und hat sich durch den Riss ein Bluterguss gebildet, so kann weder gestreckt, noch gebeugt werden. Dennoch können diese Symptome eher milde auftreten, so dass ein Kreuzbandriss häufig auch nicht sofort bemerkt wird. Im weiteren, langfristigen Verlauf gibt es Patienten, die trotz Kreuzbandriss das strukturelle Defizit muskulär halbwegs kompensieren können, man spricht von sog. “Copern“ können. Die sogenannten „Noncoper“ schaffen die Kompensation nicht und haben aufgrund des Kreuzbandrisses ein ebenso funktionell instabiles Kniegelenk.

Die Ruptur des VKB kann durch eine gute klinische Diagnostik gesichert werden. Trotzdem ist die Durchführung einer MRT Untersuchung sinnvoll, um zum Beispiel refixationswürdige Meniskusrisse, Knorpelläsionen oder auch knöcherne Verletzungen zu erfassen. Die Sensitivität bei einer MRT Diagnostik von frischen Rupturen des vorderen Kreuzbandes liegt bei über 90%, bei älteren Verletzungen wird die Diagnostik deutlich erschwert.

Besteht, bspw. beim körperlich aktiven Patienten, die Indikation für eine Kreuzbandoperation, so sollte diese so rasch als möglich erfolgen, um die Zeit bis zur Rekonvaleszenz kurz zu halten. Ein weiterer, allerdings wesentlicher Vorteil der frühen Versorgung besteht darin, dass die häufig festzustellenden Risse eines oder beider Menisci sofort genäht werden können. Dies erhöht die Heilungschancen dieser wichtigen Strukturen.

Aktuelle Studien zeigen recht unzweideutig, dass eine Kreuzband-Operation in einem Zeitfenster von bis zu 10 Tagen nach der Verletzung gut möglich ist. Ein 24 Stundenfester entspricht nicht mehr dem aktuellen Wissenstand. Wichtig hierfür ist somit eine zügige Abklärung um in diesem knappen Zeitfenster zu bleiben. Gerät man über dieses Zeitfenster hinaus, so kann es zu einer Reizreaktionen des Kniegelenkes kommen. In dieser Phase, die dann biss zu 6 Wochen andauert, sollte man mit einer Kreuzbanplastik warten, da die Gefahren von postoperativen Komplikationen, wobei insbesondere Vernarbungen und Bewegungseinschränkungen des Kniegelenkes zu nennen sind, in dieser Phase erhöht sind. Zeigt das Knie also eine entsprechende Reizreaktion, so sollte mit der Operation ca. 6 Wochen abgewartet werden. 

Eine anhaltende Instabilität des Kniegelenks fällt nach einer Kreuzbandverletzung erst unter Vollbelastung des Knies nach Wochen oder Monaten auf. Das Gefühl eines mit Weggleitens des Oberschenkels gegen den Unterschenkel bspw. beim Trepp-ab-Gehen, dem sog. “Giving-way“ ist dann oft erst nach dezidierter Befragung feststellbar.

Ein Schaden des vorderen Kreuzbandes beeinträchtigt die Funktion des Kniegelenkes. Typisch ist ein Instabilitäts- und Unsicherheitsgefühl bspw. beim Trepp-ab-Gehen oder beim Sport. Im Verlauf zeigen sich Meniskusschäden, Knorpelschäden und schließlich das Bild einer Arthrose. Solche Folgeerkrankungen können das häufig eher geringe Beschwerdebild der ursächlichen Schädigung, also einer Kreuzbandruptur, cachieren.

Als Beispiel für die Häufigkeit von Kreuzbandverletzungen sei eine Studie mit Amateurfussballern genannt. In dieser Studie wurde gezeigt, dass jeder vierte bis fünfte Spieler innerhalb von 2 Jahren eine Kreuzbandverletzung erleidet. Interessant sind zudem weitere epidemiologische Daten, wonach Kreuzbandrisse im Ballsport bei weiblichen Personen doppelt bis nahezu 10 mal häufiger und im Skisport etwa drei mal häufiger als bei Männern auftreten. Mögliche Ursachen sind dabei Hormonschwankungen im weiblichen Zyklus, die die Stabilität der Kreuzbänder in einem messbaren Umfang beeinträchtigen können. So finden sich in bestimmten Phasen des weiblichen Zyklus wiederum messbare, signifikante Zunahmen an Kreuzbandverletzungen. Klar ist, je mehr Kraft die knieführende Muskulatur entfalten kann, desto besser kann diese das Kniegelenk bei ungünstigen Belastungen bzw. Verletzungen schützen. Somit sind geschlechtsspezifische Unterschiede in der Muskelmasse und Muskelkraft weitere mögliche Faktoren, die diese auffällige Differenz erklären können. Ebenso werden geschlechtsspezifische Unterschiede in der Propriozeption und der Ausführung bestimmter Bewegungsabläufe als Ursache dieses Phänomens diskutiert.

Am Ende dieser Diskussion bleibt ein Gemeinsamkeit: Der Riss des vorderen Kreuzbandes ist eine ernste Kniegelenksverletzung. Zum einem ist die Leistungsfähigkeit des Kniegelenkes im Sport aber auch im Alltag enorm beeinträchtigt. V.a. aber kommt es infolge der Instabilität meistens zu Meniskus- und Knorpelschäden und im Weiteren zu arthrotischen Veränderungen des Kniegelenkes (Abb. 4). Bspw. zeigt eine Studie zu Patienten, die sich gegen eine stabilisierende Operation entschieden haben bei 40% der Patienten innerhalb von einem Jahr einen Menikusriss, nach 5 und 10 Jahren finden sich Meniskusrisse bei 60 bzw. 80% der Patienten. Eine Arthrose zeigt sich im Laufe von 10 bis 15 Jahren bei 60 bis 90% der Patienten. Somit ist eine Kreuzbandverletzung für jeden, vom aktiven Menschen bis hin zum Profisportler eine Verletzung mit weitreichende Folgen. Betrachtet man diese Daten, so sollte bei einer Insuffizienz, also einer mangelhaften Stabilisierungsfunktion des vorderen Kreuzbandes eine Operation diskutiert werden.

Ein Riss des vorderen Kreuzbandes entsteht oft ohne Kontakt des Verletzten bspw. wenn das Kniegelenk bei angespannter Oberschenkelmuskulatur ungünstig verdreht wird. Sportarten mit schnellen Richtungswechseln, also insbesondere Ballsportarten und das Skifahren auf beinhalten häufige Drehbewegungen bei angespannten Muskeln und Bändern. Oft sind es bereits kleine, aber abrupte Richtungsänderungen im Bewegungsablauf, die einen Kreuzbandriss verursachen. Das geschieht schneller als es dem Sportler bewusst ist: Muss zum Beispiel beim Basketball oder Fußball spontan ausgewichen und die Richtung gewechselt werden, ist dies eine typische Gefahrensituation. Meist entstehen solche Gefahrensituationen beim Sport, können aber auch im Alltag passieren. In dem Moment, in dem ein Kreuzband reißt, ist gelegentlich ein Reissen, ein Knallen oder ein Knacken hörbar. Das Knie schwillt an und schmerzt. Zunächst lassen die Schmerzen recht rasch nach, im Weiteren Verlauf kommt es bei erneuter Belastung wiederum zu Beschwerden. Ist das Knie stark angeschwollen und hat sich durch den Riss ein Bluterguss gebildet, so kann weder gestreckt, noch gebeugt werden. Dennoch können diese Symptome eher milde auftreten, so dass ein Kreuzbandriss häufig auch nicht sofort bemerkt wird. Im weiteren, langfristigen Verlauf gibt es Patienten, die trotz Kreuzbandriss das strukturelle Defizit muskulär halbwegs kompensieren können, man spricht von sog. “Copern“ können. Die sogenannten „Noncoper“ schaffen die Kompensation nicht und haben aufgrund des Kreuzbandrisses ein ebenso funktionell instabiles Kniegelenk.

Die Ruptur des VKB kann durch eine gute klinische Diagnostik gesichert werden. Trotzdem ist die Durchführung einer MRT Untersuchung sinnvoll, um zum Beispiel refixationswürdige Meniskusrisse, Knorpelläsionen oder auch knöcherne Verletzungen zu erfassen. Die Sensitivität bei einer MRT Diagnostik von frischen Rupturen des vorderen Kreuzbandes liegt bei über 90%, bei älteren Verletzungen wird die Diagnostik deutlich erschwert.

Besteht, bspw. beim körperlich aktiven Patienten, die Indikation für eine Kreuzbandoperation, so sollte diese so rasch als möglich erfolgen, um die Zeit bis zur Rekonvaleszenz kurz zu halten. Ein weiterer, allerdings wesentlicher Vorteil der frühen Versorgung besteht darin, dass die häufig festzustellenden Risse eines oder beider Menisci sofort genäht werden können. Dies erhöht die Heilungschancen dieser wichtigen Strukturen.

Aktuelle Studien zeigen recht unzweideutig, dass eine Kreuzband-Operation in einem Zeitfenster von bis zu 10 Tagen nach der Verletzung gut möglich ist. Ein 24 Stundenfester entspricht nicht mehr dem aktuellen Wissenstand. Wichtig hierfür ist somit eine zügige Abklärung um in diesem knappen Zeitfenster zu bleiben. Gerät man über dieses Zeitfenster hinaus, so kann es zu einer Reizreaktionen des Kniegelenkes kommen. In dieser Phase, die dann biss zu 6 Wochen andauert, sollte man mit einer Kreuzbanplastik warten, da die Gefahren von postoperativen Komplikationen, wobei insbesondere Vernarbungen und Bewegungseinschränkungen des Kniegelenkes zu nennen sind, in dieser Phase erhöht sind. Zeigt das Knie also eine entsprechende Reizreaktion, so sollte mit der Operation ca. 6 Wochen abgewartet werden. 

Eine anhaltende Instabilität des Kniegelenks fällt nach einer Kreuzbandverletzung erst unter Vollbelastung des Knies nach Wochen oder Monaten auf. Das Gefühl eines mit Weggleitens des Oberschenkels gegen den Unterschenkel bspw. beim Trepp-ab-Gehen, dem sog. “Giving-way“ ist dann oft erst nach dezidierter Befragung feststellbar.

Ein Schaden des vorderen Kreuzbandes beeinträchtigt die Funktion des Kniegelenkes. Typisch ist ein Instabilitäts- und Unsicherheitsgefühl bspw. beim Trepp-ab-Gehen oder beim Sport. Im Verlauf zeigen sich Meniskusschäden, Knorpelschäden und schließlich das Bild einer Arthrose. Solche Folgeerkrankungen können das häufig eher geringe Beschwerdebild der ursächlichen Schädigung, also einer Kreuzbandruptur, cachieren.

Als Beispiel für die Häufigkeit von Kreuzbandverletzungen sei eine Studie mit Amateurfussballern genannt. In dieser Studie wurde gezeigt, dass jeder vierte bis fünfte Spieler innerhalb von 2 Jahren eine Kreuzbandverletzung erleidet. Interessant sind zudem weitere epidemiologische Daten, wonach Kreuzbandrisse im Ballsport bei weiblichen Personen doppelt bis nahezu 10 mal häufiger und im Skisport etwa drei mal häufiger als bei Männern auftreten. Mögliche Ursachen sind dabei Hormonschwankungen im weiblichen Zyklus, die die Stabilität der Kreuzbänder in einem messbaren Umfang beeinträchtigen können. So finden sich in bestimmten Phasen des weiblichen Zyklus wiederum messbare, signifikante Zunahmen an Kreuzbandverletzungen. Klar ist, je mehr Kraft die knieführende Muskulatur entfalten kann, desto besser kann diese das Kniegelenk bei ungünstigen Belastungen bzw. Verletzungen schützen. Somit sind geschlechtsspezifische Unterschiede in der Muskelmasse und Muskelkraft weitere mögliche Faktoren, die diese auffällige Differenz erklären können. Ebenso werden geschlechtsspezifische Unterschiede in der Propriozeption und der Ausführung bestimmter Bewegungsabläufe als Ursache dieses Phänomens diskutiert.

Am Ende dieser Diskussion bleibt ein Gemeinsamkeit: Der Riss des vorderen Kreuzbandes ist eine ernste Kniegelenksverletzung. Zum einem ist die Leistungsfähigkeit des Kniegelenkes im Sport aber auch im Alltag enorm beeinträchtigt. V.a. aber kommt es infolge der Instabilität meistens zu Meniskus- und Knorpelschäden und im Weiteren zu arthrotischen Veränderungen des Kniegelenkes (Abb. 4). Bspw. zeigt eine Studie zu Patienten, die sich gegen eine stabilisierende Operation entschieden haben bei 40% der Patienten innerhalb von einem Jahr einen Menikusriss, nach 5 und 10 Jahren finden sich Meniskusrisse bei 60 bzw. 80% der Patienten. Eine Arthrose zeigt sich im Laufe von 10 bis 15 Jahren bei 60 bis 90% der Patienten. Somit ist eine Kreuzbandverletzung für jeden, vom aktiven Menschen bis hin zum Profisportler eine Verletzung mit weitreichende Folgen. Betrachtet man diese Daten, so sollte bei einer Insuffizienz, also einer mangelhaften Stabilisierungsfunktion des vorderen Kreuzbandes eine Operation diskutiert werden.

MRT Folgeschäden unbehandelte Kreuzbandverletzung
Arthroskopisches Bild Folgeschäden einer unbehandelten Kreuzbandverletzung

Abb. 4: Links MRT (Magnetresonanztomographie)  und arthroskopisches Bild eines 38-jährigen Patienten Jahre nach einer nicht versorgten Kreuzbandverletzung. Es finden sich schon arthrotische Veränderung mit Ausdünnungen und Verlustzonen im Bereich der knorpeligen Gelenkflächen (blaue Pfeile), chronischen Knochenschäden mit Ödemzonen und der Ausbildung von Knochenzysten (roter Pfeil), Rissbildungen und Schäden im Innenmeniskus (gelber Pfeil). Das Knie kann diese Schäden nicht mehr kompensieren und es finden sich schmerzhafte Reizzustände mit Gelenkergüssen (grüner Pfeil).

Letztlich benötigt der Patient sowohl bei frischen als auch bei alten Verletzungen eine sorgfältige und umgehende Diagnostik und v.a. schnelle sowie langfristig sichere Behandlungskonzepte.

Auch die Nachbehandlung, moderne Operations- und Behandlungskonzepte vorausgesetzt, mit einer vier- bis fünfmonatigen Genesungs- und Rehabilitationszeit, ist für jeden engagierten Menschen eine besondere Belastung. Eine so großes Zeitfenster, welches nötig ist um wieder zur vollständigen sportlichen Leistungsfähigkeit zurückzukehren ist, stellt eine besondere Herausforderung dar. Um am Ende wieder zu  Spitzenleistungen zurückzukehren, bedarf es einer hohen Motivation um eine nachhaltige Rehabilitation zu meistern.

Abb. 4
Typen der vorderen Kreuzbandruptur und mögliche Versorgungen
Abb. 5

Typen der vorderen Kreuzbandruptur und mögliche Versorgungen

Ein Kreuzbandrisses kann aber sehr unterschiedlich sein. Man teilt die Verletzung je nach Ausmaß der Schädigung in vollständige Risse, Teilrisse und Zerrungen eines oder beider Bündel ein (Abb. 5). Auch die Lage des Kreuzbandrisses ist wichtig, so können die Risse entweder mittig oder nahe der knöchernen Verankerung liegen. Insbesondere beim jungen Patienten oder bei einer Mitbeteiligung des hinteren Kreuzbandes können auch knöcherne Ausrisse zu finden sein. Zudem ist die Intaktheit des das Kreuzband umgebenden Gelenkschleimhautschlauches sowie das Alter der Ruptur wichtig, um mit dem Patienten verschiedene Therapiemöglichkeiten zu ermöglichen. All diese Umstände sollten bei der Entscheidung des Vorgehens berücksichtigt werden. Ein einziges operatives Standardverfahren, dass jedem Patienten mit einem Kreuzbandriss “übergestülpt“ wird, ist entsprechend der heute bestehenden Möglichkeiten und dem aktuellen Wissensstand nicht mehr zeitgemäß. Moderne Konzepte beinhalten eine sog. individualisierte Chirurgie des vorderen Kreuzbandes.

Häufige Rissformen des vorderen Kreuzbands

Abb. 5: Auszug zu verschiedenen, häufigen Rissformen des vorderen Kreuzband (rot und blau). Links findet sich ein knochennaher Abriss des vorderen, weiter innen laufenden, sog. anteromedialen (blau) sowie des  hinteren sog. posterolateralen Bündels (rot). Das hintere Kreuzband ist gelb dargestellt. Mittig findet sich ein Teilriss des vorderen Kreuzbandes, wobei nur das anteromediale Bündel (blau) betroffen ist. Rechts findet sich ein mittiger Riss sowohl des vorderen (blau) als auch des hinteren Bündels (rot).

Findet sich eine oberschenkelnaher, frischer Riss des vorderen Kreuzbandes, können wir durchaus auch eine Kreuzband erhaltende Operation in Form einer Refixierung empfehlen und durchführen. Hierbei kann es bspw. mit feinen Knochenankern im Oberschenkelknochen angepresst werden. Ebenso kann ein feines Metallblättchen, das dem Oberschenkelknochen außen anliegt, zur Befestigung benutzt werden. Zusätzlich kann das refixierte Kreuzband mit einem kräftigen, bandähnlichen Faden zusätzlich verstärkt werden. Die kann das Kreuzband in der Heilungsphase zu schonen.

Besteht hingegen, ggf. auch ein älterer, aber unvollständiger Riss des vorderen Kreuzbandes empfehlen wir vermehrt anstelle eines vollständigen Kreuzbandersatzes oft nur einen Ersatz des jeweils gerissenen Bündels.  Bei solchen Teilrupturen des vorderen Kreuzbandes ist also nur eines der beiden Bündel betroffen und nur genau dieses wird rekonstruiert. Das andere, intakte und damit noch funktionsfähige Bündel wird konsequent geschont und bleibt erhalten. Das selektive Vorgehen, bei dem ausschluich das gerissen Band druch eine unterstützende Bandplastik rekonstruiert wird nennen wir Augmentation. Der Grundsatz, nur das zu rekonstruieren, was auch wirklich gerissen ist, erleichtert die Heilungsphase und erhöht die Sicherheit einer vollständigen Rehabilitation.

Bei vollständiger Rissbildung, insbesondere mit einer Aufspleissung der Fasern oder mittigen Rissbildern ist zur vollständigen Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes die Ersatzplastik mit einer der drei vom Oberschenkel ziehenden Hamstringsehnen, meist der Semitendinosussehne, als Drei- und oder Vierfachschlinge als Bandersatz die Methode der Wahl. Hierbei mögen wir insbesondere die minimal invasive  all-inside Technik als ein besonders sicheres und schonendes Verfahren. Das Operationstrauma ist hiermit gegenüber älteren, ausgedehnteren Techniken deutlich vermindert: Dies führt zu einer nachgewiesenen Verkürzung der Rehabilitationszeit.

Damit bei einer maximal hohen Stabilität die Beweglichkeit des Kniegelenkes ungestört ist, ist bei einer Rekonstruktion bzw. einer Kreuzbandersatzplastik  eine exakte anatomische Positionierung enorm wichtig. So ist unserer Erfahrung nach die Fehlpositionierung der Knochentunnel der häufigste Grund für eine Revisionsoperation. Dies wundert nicht, da es einer jahrelangen chirurgischen Erfahrung benötigt um stets die richtige Stelle bzw. die physiologische Ansatzstelle im Gelenk zu erkennen und zu treffen.

bottom of page