Specialist for Orthopaedic & Trauma Surgery, Specialised Trauma Surgeon, Specialised Orthopaedic Surgeon
SCHULTERVERSCHLEIß (OMARTHROSE) - MINIMALINVASIVE, SCHAFTFREIE ANATOMISCHE SCHULTERENDOPROTHETIK
Als Schulterarthrose (Omarthrose) wird ein Gelenksverschleiß im Schultergelenk bezeichnet. Hierbei kommt es zu einer Abnutzung und einem Abrieb von Knorpel am Oberarmkopf und/oder der Schultergelenkspfanne. Im Röntgenbild zeigen sich eine Verformung des Oberarmkopfes sowie spornartigen Ausziehungen, sog. Osteophyten. Durch den Abrieb des Gelenkknorpels verschmälert sich der sichtbare Gelenkspalt (Abb. 1, links). Als Folge der Arthrose kommt es zu einer Bewegungseinschränkung, bewegungsabhängigen Schmerzen und einer entzündlichen Aktivierung des Gelenkes. Viele Patienten schränken ihre Freizeit- und Alltagsaktivitäten ein und ein erheblicher Teil muss zum Einschlafen eine schmerzfreie Position suchen, der Schlaf ist gestört, usw.
Abb. 1: Links: Röntgenbild einer Schulterarthrose. Es zeigt sich ein verschmälerter Gelenkspalt sowie spornartige Ausziehungen, sog. Osteophyten. Rechts: Hier ist die Implantation einer Schulterprothese sinnvoll. Der Aktionsradius des Schultergelenkes (schwarz) hat sich nicht verändert.
In leichten Fällen kann gelegentlich noch eine arthroskopische Mobilisierung mit einem Release der Gelenkkapsel und weiteren arthroskopischen Maßnahmen helfen. In fortgeschrittenen Fällen stellt die endoprothetische Versorgung der Gelenkoberflächen eine sichere Lösung für den Patienten dar. Hierbei haben die Patienten und die behandelnden Ärzte zu Recht sehr hohe Erwartungen an die schulterendoprothetische Versorgung. Die vollständige Schmerzfreiheit sowie die volle Alltagsbelastbarkeit einschließlich einer sehr guten Funktion in der Freizeit und im Sport gehören dazu. Unsere eigenen, aber auch anderweitige klinische und biomechanische Studien zeigen, dass für ein gutes Operationsergebnis eine exakte Wiederherstellung der individuellen Gelenkgeometrie wesentlich ist. Hierfür ist es wichtig zu wissen, dass der Humeruskopf nicht nur in seiner Größe und Form, sondern auch in seiner Stellung zum Humerus in allen Ebenen erstaunlich variabel ist. Aus diesem Grund ist eine präzise, individuelle Wiederherstellung der Gelenkgeometrie (Abb. 1, rechts) nicht ganz anspruchslos. Vielmehr stellt die Wiederherstellung der individuellen Anatomie den Erfolgsschlüssel der anatomischen Schulterendoprothetik dar.
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Der traditionelle, gestielte Gelenkersatz an der Schulter basiert auf den Prinzipien der frühen Hüftendoprothetik. Leider sind stiel-bezogene Komplikationen, wie ein Knochenverlust durch Stress-Shielding, Schaftfrakturen, etc., ähnlich wie bei dem Gelenkersatz der Hüfte, auch bei den gestielten Schulterprothesen gar nicht so selten zu finden. Am häufigsten finden sich aber Operationsprobleme, die zu einem fehlerhaften Einbau der Endoprothese führen (Abb. 2).
Abb. 2: Infolge einer Verkippung und einer fehlerhaften Resektionsebene ist diese gestielte, anatomische Prothese revisions-bedürftig. Der Aktionsradius der Prothese (rot) entspricht nicht mehr dem ehemaligen Aktionsradius (gelb) der Schulter.
Abb. 3: Patient der aufgrund einer fehlerhaften Kappenprothese zu uns zur Revision kam. Der Aktionsradius der Prothese (rot) entspricht nicht mehr dem ehemaligen Aktionsradius (gelb) der Schulter. Der erhöhte Druck führt zu einem Knochenaufbrauch bzw. einer schmerzhaften Erosion der Pfanne.
Auch die Kappenprothesen, die auf den ersten Blick scheinbar einfach einzubauen sind, stellen sich problematisch dar. Trotz der auf den ersten Blick vergleichsweise einfachen Implantationstechnik zeigte sich für die Kappen, dass auch mit modernen Implantaten die Rekonstruktion der Gelenkgeometrie weniger zuverlässig ist als mit diversen gestielten Prothesenmodellen (Abb. 3). Der wesentliche Nachteil dieser Kappenprothesen ist allerdings der beschränkte Zugang zur Pfanne, der den in den allermeisten Fällen ebenso erforderlichen Oberflächenersatz an der Pfanne erheblich erschwert. Hier sind für den Zugang zur Pfanne die Komplikationsraten entsprechend erhöht. So wurden für Kappenprothesen in Kombination mit einem Oberflächenersatz an der Pfanne in bis zu 15% der Fälle neurologische Ausfallerscheinungen berichtet.
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Verglichen zur Kappenprothese und zur gestielten anatomischen Prothese bietet die Kopf-resizierende, schaftfreie anatomische Schulterendoprothetik bessere Möglichkeiten die individuelle Gelenkgeometrie präzise und v.a. ohne solch hohen Komplikationsraten wiederherzustellen. Zudem bietet sich ein vollständig sicherer Zugang zur Pfanne (Abb. 4).
Abb. 4: Kopfresektion, die im Rahmen der schaftfreien aber auch der gestielten anatomischen Schulterendoprothetik sinnvoll ist. Nach Entfernung des schmalen, verschlissenen Kopffragmentes ist ein sicherer Zugang zur Pfanne möglich.
Bei der anatomischen endoprothetischen Versorgung der Schulter wird, wie es der Name schon sagt, eine möglichst genaue Wiederherstellung der Gelenkgeometrie angestrebt. Eigene Studien zeigten, dass ein Funktionserhalt der Sehnen der Schulter, der sog. Rotatorenmanschette, eine möglichst präzise Rekonstruktion der ursprünglichen Geometrie voraussetzt. Ebenso ist dies erforderlich um einen vollen Bewegungsumfang ohne schmerzhafte Druckspitzen zu erzielen. Weiterhin zeigte sich, dass sich bei einer exakten Wiederherstellung durch diese verringerten Druckspitzen auch der Abrieb im Bereich der Gelenkpfanne reduziert wird. Somit ist die Wiederherstellung der ursprünglichen Gelenkgeometrie nicht nur für ein gutes Operationsergebnis, sondern auch für die Standzeit der Prothese wesentlich.
Studien mit Patienten, die für Revisionsoperationen zu uns gekommen sind, haben gezeigt, dass meist eine abweichende Gelenkgeometrie der Prothese ursächlich für die Beschwerden ist. Hierbei ist die fehlerhafte Prothesenimplantation in den meisten Fällen aufgrund einer fehlerhaften Kopfresektion entstanden.
Somit war klar, dass ein ungenauer Sägeschnitt einen vermeidbaren operationstechnische Fehler mit erheblichen Konsequenzen für den Patienten darstellt. Diese leider nicht ganz selten auftretenden Ungenauigkeit ist verständlich, da insbesondere bei stark deformierten Arthrosen die Orientierung selbst für den erfahrenen Schulterchirurgen nicht immer ganz einfach ist. Daher legen wir bspw. in unseren Operationskursen auf einen präzisen Sägeschnitt zur Durchführung der Kopfresektion einen besonderen Wert. Zudem propagieren wir eine präoperative, digitale Prothesenplanung unter Verwendung der “best-fit circle” Methode. Hiermit lässt sich auch bei stark deformierten Arthrosen die optimale Kopfresektion gut planen. Dies mag helfen intraoperativ die richtige Resektionsebene zu finden und präoperativ den geeigneten Kopfdurchmesser sowie die Höhe des Kopfes planen zu können (Abb. 5).
Abb. 5: Digitale Planung der optimalen Ebene zur Kopfresektion (blaue Linie) im präoperativen Röntgenbild. Auch bei stark deformierten Arthrosen kann mit der von uns propagierten “best-fit circle” Methode neben der Planung der optimalen Kopfresektion gut auch die geeignete Prothesengröße ausgemessen werden.
Darüber hinaus haben wir in Zusammenarbeit mit Herstellerfirmen von Prothesen praktische Operationsintrumentarien, sog. “cutting guides” entwickelt, die eine exakte Resektion erheblich erleichtern können (Abb. 6).
Abb. 6: Von uns entwickelte Operationsintrumentarien, sog. “cutting guides”, die eine exakte Resektion des verschlissenen Oberarmkopfes erleichtern.
Zusammenfassend erlaubt der stielfreie, kopfresizierende Gelenkersatz an der Schulter einen praktikablen und v.a. sicheren Zugang zur Pfanne. Stielbezogene Komplikationen werden vermieden. V.a. erlaubt der stielfreie, kopfresizierende Gelenkersatz eine präzisere anatomische Rekonstruktion der ehemaligen Gelenkgeometrie. Aus diesen Gründen sind Prothesen, die genauso wie die Kappen auf einen konventionellen Schaft verzichten, aber eine Resektion der Kalotte erlauben, eine logische Weiterentwicklung. Gerade in Anbetracht aktueller Daten, wonach der zusätzliche Oberflächenersatz an der Pfanne gegenüber einem ausschließlichen Kopfersatz im klinischen Outcome sowohl bei der Funktion als auch bei der Schmerzreduktion bessere Ergebnisse liefert, sind solche kopfresizierenden, schaftfreien Prothesendesigns von großem Interesse.
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Charakteristisch für die von uns verwendeten schaftlosen Endoprothesen ist die Verwendung möglichst grosser Verankerungselemente im Oberarm. Hier haben wir stets unterschiedliche Größen mit aufsteigenden Durchmesseren zur Hand, so dass wir die Prothese millimetergenau in den Knochen am Oberam einsetzen und impakatieren können (Abb. 7a und 7b). Eigene Untersuchungen zeigten, dass die Prothesen in dem kortikalisnahnen, also “rindennahen” Knochen am besten Einwachsen. Lockerungen, einen vermehrten Knochenabbau, ein Stress-Shieldung, etc. haben wir mit dieser Verankerungsmethode bis dato ausschließen können. Auf diese Weise bietet unser Konzept der schaftfreien anatomischen Schulterendoprothetik ein sicheres und stabiles Einwachsen in den Knochen.
Abb. 7a und 7b: Das krallenähnliche Verankerungselement ist möglichst groß gewählt und sitzt somit “rindennahe” also weit außen im Knochen (rote Pfeile). Dies bietet eine sichere Fixierung sowie ein solides Einwachsen in den Knochen.
Fazit
Die Wiederherstellung der individuellen Gelenkgeometrie ist wesentlich, um zu einem guten klinischen Ergebnis zu kommen. Dies betrifft die Schmerzfreiheit, die optimale Funktion im Alltag und Sport, sowie die Standzeit der Prothese. Betrachtet man die Literaturdaten, so ist eine präzise und konsistente Wiederherstellung der individuellen Gelenkgeometrie allerdings keineswegs selbstverständlich. Häufig findet sich als Ursache eine fehlerhafte Kopfresektion. Eine exakte Identifikation der anatomischen Landmarken ist hilfreich zur Optimierung der Kopfresektion. Insbesondere bei stark deformierten Arthrosen ist die Verwendung von hochentwickelten Sägehilfen und die Planung anhand der “best-fit circle” Methode hilfreich, um eine präzise Implantation der Prothese zu ermöglichen. Die weit außen im Knochen gelegene Verankerung der Prothese bietet eine solides, langfristiges Einwachsen der Prothese. Stiel-bezogene Komplikationen werden vermieden und Knochen gespart. Ebenso bietet der stielfreie, kopfresizierende Gelenkersatz an der Schulter einen praktikablen und v.a. sicheren Zugang zur Pfanne. V.a. aber bietet der stielfreie, kopfresizierende Gelenkersatz gute Möglichkeiten, die individuelle Gelenkgeometrie präzise zu rekonstruieren. Dies entspricht der Studienlage mit einem vergleichsweise guten klinischen Outcome.