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Warum sollte eine schwere Formstörung des Gleitlagers der Kniescheibe korrigiert werden?
Abb. 1 Normales Knieschebengleitlager und deformiertes Kniesceibegleitlager

Warum sollte eine schwere Formstörung des Gleitlagers der Kniescheibe korrigiert werden?

 

Die Kniescheibe wird sowohl weichteilig durch das Kniescheiben-stabilisierende Band (MPFL) als auch durch das knöcherne Gleitlager (die Trochlea) bei Kniebewegung stabil gehalten. Weist das knöcherne Gleitlager, in dem die Kniescheibe bei Kniebewegungen geführt werden soll, eine Formstörung auf, so spricht man von einer Gleitlager- bzw. Trochleadysplasie. Die hierbei vorliegende ungünstige Formgebung führt zu einem gestörten Gleiten und zu einer ungenügenden Führung der Kniescheibe während der Kniebewegung. Somit führt eine solche knöcherne Formstörung zu einer vermehrten Abnutzung der Gelenkflächen, v.a. aber beeinträchtigt sie die Stabilität der Kniescheibe. Somit kann es zu einem „Herausspringen“ der Kniescheibe, einer sog. Luxation, kommen. Mit einer Häufigkeit von weniger als 3%, ist ein solcher Befund in der Normalbevölkerung selten. Untersucht man hingegen Patienten mit einer Instabilität der Kniescheibe, so sind knöcherne Formstörungen des Gleitlagers weitaus häufiger zu finden. So liegt die Häufigkeit relevanter hochgradiger Formstörungen unter diesen Patienten bei über 50% (Abb. 1).

Normales Kniescheibengleitlager
Deformiertes Kniescheibengleitlager

Abb. 1: Links findet sich ein normales Kniescheibengleitlager, in dem die Kniescheibe stabil und regelrecht geführt wird. Rechts ist das knöcherne Gleitlager deformiert. Die Kniescheibe gleitet nicht mehr mittig, sondern auf einer nach außen überhöhten (konvexen) Fläche und kann hier vglw. leicht nach außen abrutschen (roter Pfeil), also “herausspringen“.

Besteht eine höhergradige und klinisch relevante knöcherne Formstörung, so sollte sie im Rahmen einer Stabilisierung einer instabilen Kniescheibe auch operativ korrigiert werden. Ansonsten zeigen sich, bspw. bei isolierten Verfahren einer MPFL-Rekonstruktion oder einer MPFL-Bandplastik (siehe MPFL-Bandrekonstruktion oder Knieinstabilität - Basics), nicht nur schlechte klinische Ergebnisse mit anhaltenden Instabilitätsbeschwerden; auch kommt es vglw. früh zu einer Abnutzung sowie einer symptomatischen Früharthrose des Kniegelenkes. So gelten Dysplasien des knöchernen Gleitlagers als Hauptursache von prothesenpflichtigen Arthrosen hinter der Kniescheibe. Dem stehen die unzweideutig guten Ergebnisse, insbesondere einer Korrektur der knöchernen Formstörung, der sog. Trochleaplastik, gegenüber. Für diesen kombinierten Eingriff finden sich in eigenen Studien und in der Literatur 0% erneute Luxationen, im Prinzip durchweg negative klinische Untersuchungsbefunde für eine Instabilität und nahezu normalisierte Outcome-Scores mit nahezu 100%-igen Return-to-Sports Raten. Aus diesem Grund empfehlen wir in solchen speziellen Fällen die operative, knöcherne Gleitlagerkorrektur.

Wie sehen die Formstörungen des knöchernen Gleitlagers aus und welche bedürfen einer operativen Korrektur?
Abb. 2 Typen der Gleitlagerformstörung

Wie sehen die Formstörungen des knöchernen Gleitlagers aus und welche bedürfen einer operativen Korrektur?

 

Die gebräuchlichste bildgebende Einteilung von Trochleadysplasie, wurden von dem französischen Kollegen Prof. Henri Dejour beschrieben. Er unterteilte die Schweregrade in die Typen A–D, welche am besten auf horizontal verlaufenden Querschnitten bei Magnetresonanztomographie- (MRT) und Computertomographie- (CT)-Schichten zu beurteilen sind. Entscheidend für eine sinnvolle Beurteilung ist, dass ausschließlich die obersten Schichten des Kniescheibengleitlagers zu Beurteilung herangezogen werden (Abb. 2, rote Kreise). Betrachtet man hingegen weiter unten gelegene Schichten des Gleitlagers, so wird man regelmäßig fehlerhafte Ergebnisse mit falsch negativen Befunden erzielen. Dies ist nach unserer Erfahrung ein häufiger Fehler bei der Beurteilung der MRT-Bilder, der die Gefahr einer fehlerhaften Aufklärung bzw. Beratung und dann logischerweise die Gefahr einer fehlerhaften Therapieentscheidung des Patienten in sich birgt.

Typen der Gleitlagerformstörung nach Dejour im MRT

Abb. 2: Typen der Gleitlagerformstörung nach Dejour im MRT, welche auch im seitlichen Röntgen (s. Skizzen) als Konturstörungen erkennbar sind. Nur die oberen Schichten dienen einer Beurteilung des Gleitlagers. Oben links: Der Typ A ist durch eine erhaltene aber abgeflachte Gleitrinne mit einem Winkel >145° gekennzeichnet. Oben rechts: Der Typ B zeigt im Prinzip ein flaches Gleitlager ohne Stabilisierungsfunktion der Kniescheibe nach außen. Unten links: Beim Typ C besteht eine Asymmetrie der beiden Gelenkflächen, den sog. Facetten, des Gleitlagers. Im Falle der Typ C Dysplasie ist die äußere Gelenkfläche gegenüber der inneren deutlich vergrößert. Auch wenn die äußere Fläche vergrößert erscheint ist sie für eine Stabilisierung der Kniescheibe aufgrund ihrer konvexen Form absolut insuffizient. Unten rechts: Beim Typ D bildet die vergleichsweise kräftige äußere Fläche gegenüber der inneren eine regelrechte Klippe aus.

Wichtig für den im klinischen Alltag zu wissen ist, dass die Typen B bis D als schwere knöcherne Formstörung des Gleitlagers eingeordnet werden. Diese schweren Dysplasieformen bedürfen bei entsprechend passenden klinischen Untersuchungsbefunden (siehe Knieinstabilität - Basics) einer knöchernen Korrekturoperation. Darüber hinaus ist das MRT auch bei weiteren wichtigen Befunden ein wichtiges Hilfsmittel. So sind Knorpelschäden und Schäden des Kniescheiben-stabilisierenden MPFL-Bandes hier gut diagnostizierbar. So sind insbesondere die frischen aber auch die alten Risse des MPFL-Bandes an dessen Ansatzstelle am Oberschenkel diagnostizierbar. Ein besonderes Problem stellen die Fälle mit einer Trochleadysplasie und höhergradigen Knorpelschäden des Retropatellargelenkes beim jungen Patienten dar. Unseres Erachtens ist gerade in solchen Fällen die Trochleaplastik essentiell, um rasch fortschreitende degenerative Gelenkschäden aufzuhalten. Dennoch haben wir auch in diesen Fällen, sofern die Knorpelschäden mit entsprechenden Knorpelmatrixverfahren versorgt wurden, ausgesprochen gute klinische Erfahrungen sammeln können.

Welche Untersuchungsbefunde führen dazu, dass wir bei Vorliegen einer schweren Dysplasie die operative Korrektur empfehlen?

Welche Untersuchungsbefunde führen dazu, dass wir bei Vorliegen einer schweren Dysplasie die operative Korrektur empfehlen?

 

Liegt neben einer Insuffizienz des Kniescheiben-stabilisierenden MPFL-Bandes eine knöcherne Insuffizienz des Gleitlagers (Trochleadysplasie) vor, so ist die Verschieblichkeit der Kniescheibe nach außen nicht nur in strecknahen Positionen des Kniegelenkes, sondern auch bei leicht vermehrten Beugegraden zwischen 30° und 60° erhöht (siehe Knieinstabilität - Basics). Auch die weiteren Untersuchungen, die bei einer symptomatischen Instabilität auf einer Abwehrreaktion des Patienten (in Form einer Muskelanspannung, Mimik u./o. Gestik) beruhen und durch die Provokation eines Weggleitens der Kniescheibe ausgelöst werden, sind dann positiv. Bewegt man das Knie von der Streckung in eine Beugung von 30° bis 60° und zeigt der Patient unter leichter Verschiebung der Kniescheibe nach außen eine Abwehrreaktion, so gilt der Test als positiv und spricht für eine Trochleadysplasie. Normalerweise sollte das knöcherne Gleitlager bei einer Beugung über 30° die Kniescheibe ausreichend stabilisieren. Wird die zuvor beobachtete Abwehrreaktion anhand einer simulierten Stabilisierung der Kniescheibe durch Druck nach innen wiederum vermindert, so deutet dies wiederum auch auf eine Trochleadysplasie hin.

Warum empfehlen wir bei einer knöchernen Gleitlagerkorrektur in gleicher Sitzung eine Plastik des Kniescheiben-stabilisierenden MPFL-Bandes?
Abb. 3 Gleitlagerkorrektur

Warum empfehlen wir bei einer knöchernen Gleitlagerkorrektur in gleicher Sitzung eine Plastik des Kniescheiben-stabilisierenden MPFL-Bandes?

Bereits beim ersten “Herausspringen“ der Kniescheibe, der sog. Erstluxation, kommt es in über 90% der Fälle zu vollständigen Rissen und im Weiteren zu einer zunehmenden Insuffizienz des Kniescheiben-stabilisierenden MPFL-Bandes (siehe Knieinstabilität - Basics). Bereits hierauf basierend erscheint die Rekonstruktion dieses Bandes sinnvoll. Darüber hinaus führt eine Korrektur der knöchernen Deformität zu einem nach innen verlagerten und vertieften Gleitweg. Diese Verlagerung der mechanischen Position der Kniescheibe verkürzt den Abstand zwischen den Ansätzen des Bandes an der Kniescheibe und dem Oberschenkelanteil des Kniegelenkes. Somit führt eine effektive Korrektur der knöchernen Deformität zu einer Erschlaffung bzw. einer zunehmenden Insuffizienz des Kniescheiben-stabilisierenden MPFL-Bandes (Abb. 3).

Effektiv durchgeführte Gleitlagerkorrektur

Abb. 3: Die effektiv durchgeführte knöcherne Gleitlagerkorrektur führt zu einer Normalisierung und damit zu einer Vertiefung (grüner Pfeil) und Verlagerung des Patellagleitweges nach innen (blauer Pfeil). Die verlagerte Position der Kniescheibe führt zu einer Erschlaffung der MPFL-Bandstrukturen. Die macht eine Neueinstellung des Kniescheiben-stabilisierenden MPFL-Bandes erforderlich. Somit ist die MPFL-Bandrekonstruktion nicht nur zur weichteiligen Reparatur des gerissenen bzw. insuffizienten Bandes, sondern auch in Folge einer knöchern korrigierten Position der Kniescheibe erforderlich.

Gerade in Anbetracht dieser veränderten Biomechanik ist die MPFL-Bandrekonstruktion als zusätzlicher OP-Schritt während einer knöchernen Korrektur des Gleitlagers wesentlich, um zu einem guten klinischen Outcome zu kommen. Hierbei sollte die MPFL-Bandspannung möglichst individuell eingestellt werden, damit die Kniescheibe möglichst ohne erhöhten Druck oder erhöhter Reibung gleiten kann. Dies ist wichtig, weil erhöhte Druck- und Reibemomente zu Schmerzen und einem verfrühten Verschleiß führen können. Unsere eigenen Studien haben gezeigt, dass die knöcherne Gleitlagerkorrektur in Kombination mit einer balancierten, individuell angepassten MPFL-Bandrekonstruktion im Vergleich zur Literatur überzeugend gute Ergebnisse liefert (Link zum Artikel, free). 

Unsere Technik – was ist uns wichtig, was sagt die Literatur?
Die von uns beschriebene operative Zugangstechnik
Abb. 4 Hautinzision
Abb. 5 Kapselinzision
Abb. 6 Darstellung des zu korrigiereden Gleitlagers

Unsere Technik – was ist uns wichtig, was sagt die Literatur?

 

Die von uns beschriebene operative Zugangstechnik

 

Unsere Technik (Link zum Artikel, free) erfolgt sowohl bei der balancierten MPFL-Bandrekonstruktion (auch MPFL-Plastik genannt) als auch bei der knöchernen Korrektur des Gleitlagers (Trochleaplastik) ohne Verwendung von synthetischen Schrauben, Knochenankern oder ähnlichen Fremdkörpern. Dies ist eine Besonderheit unserer Technik, die wir als wertvoll erachten, weil sich dadurch typische Komplikationen vermeiden lassen. Als Zugang für die knöcherne Korrektur des Gleitlagers nutzen wir eine kurze, bogenförmige Hautinzision entlang des oberen, inneren Anteiles der Kniescheibe (Abb. 4).

Kurze Hautinzision

Abb. 4: Kurze, bogenförmige Hautinzision (dicke Linie) entlang des oberen, inneren Anteils der Kniescheibe (gepunkteter Kreis) zur Durchführung einer knöchernen Korrektur des Gleitlagers (Trochleaplastik).

In der Tiefe erfolgt die Eröffnung der Gelenkkapsel innen auf Höhe der Mitte der Kniescheibe bis nach oben zur Quadrizepssehne, der Sehne des vorderen Oberschenkelmuskels. Der Zugang erfolgt hierbei muskelschonend und erlaubt somit eine schnelle Rehabilitation. Zudem erlaubt dieser Zugang eine gute Exposition der inneren Kante der Kniescheibe (Abb. 5).

Gute Exposition der inneren Kante der Kniescheibe

Abb. 5: Nach der Kapselinzision erlaubt dieser Zugang eine gute Exposition der inneren Kante der Kniescheibe.

Darüber hinaus bietet dieser Zugang auch eine übersichtliche Darstellung des Gleitlagers sowohl im oberen Bereich als auch weiter unten (Abb. 6).

Übersichtliche Darstellung des zu korrigierenden Gleitlagers

Abb. 6: Über den gleichen Zugang gelingt eine übersichtliche Darstellung des zu korrigierenden Gleitlagers, sowohl im oberen Bereich als auch weiter unten.

Betrachtet man die Literatur, so ist dieser Zugangsweg ungewöhnlich. Andere Autoren wählen einen Zugang von außen, den sog. lateralen parapatellaren Zugang. Unserer Erfahrung nach ist dieser Weg nicht so praktikabel wie unser Zugang, der von der Innenseite der Knieschiebe ausgeht. So erlaubt unser innenseitiger Zugang eine bessere Exposition des Gleitlagers und der Innenkante der Kniescheibe. Dies ist zur Durchführung der stets in gleicher Sitzung empfohlenen MPFL-Bandrekonstruktion nötig (siehe auch MPFL-Bandrekonstruktion). Zudem ist über die innenseitig gelegene Kapsel die Schaffung eines Gewebetunnels innerhalb der Kapselschichten auf diesem Weg besonders schonend und sicher möglich (Abb. 7). Durch diesen Kapseltunnel erfolgt bei der MPFL-Bandrekonstruktion der Durchzug des Sehnen-Transplantates. Nachdem die beiden Kapselschichten vernäht worden sind, liegt das eingespannte Transplantat sicher zwischen diesen beiden Kapselschichten. Dies vermeidet ein schmerzhaftes und gelenkschädigendes Reiben, das auch als Shaving-Phänomen bezeichnet wird.

Gewebetunnel Kapselschichten MPFL

Abb. 7: An der innenseitigen Kapsel erfolgt die Schaffung eines Gewebetunnels (gelber Pfeil) innerhalb der Kapselschichten, der bis zum Bandansatz des MPFL am knöchernen Kniegelenk reicht. Auf diesem Weg ist ein schonender Durchzug des Sehnen-Transplantates möglich, so dass das eingespannte Transplantat sicher zwischen beiden Kapselschichten liegt. Neben einer schnellen Einheilung wird evtl. schmerzhaftes und gelenkschädigendes Reiben, sog. Shaving-Phänomen, vermieden.

Letztlich sehen wir für den kombinierten Eingriff, bestehend aus Trochleaplastik und MPFL-Bandrekonstruktion, mit dem innenseitigen Zugang viele logische Vorteile. Hinsichtlich der kosmetischen Ergebnisse haben wir in einer unserer Fallserien die Patientenzufriedenheit nach etwas mehr als 2 Jahren nach einer Trochleaplastik evaluiert. Hiernach wurde das kosmetische Ergebnis als sehr zufriedenstellend bewertet. Entsprechend unserer Befragungen waren weder das Selbstbewusstsein noch die Kleiderwahl im Anschluss an die Operation eingeschränkt. Ästhetische Narbenoperationen waren für die von uns befragten Patienten nicht von Interesse.

Abb. 7 Gewebetunnel
Die knöcherne Korrektur des Gleitlagers
Abb. 8 Ausdünnung des Knochens
Abb. 9 Vertiefung des Knochens
Abb. 10 Anmodellieren des Knorpel-Knochen-Lappens
Abb. 11 Fixieren des Knorpel-Knochen-Lappens

Die knöcherne Korrektur des Gleitlagers

 

Nach dem Zugang wird das knöcherne Gleitlager mit gewebeschonenden Haltehaken dargestellt. Ausgehend von der Knorpel-Knochen-Grenze erfolgt die Ablösung der Knorpel-Knochen-Schicht mit einem geschwungenen Meißel (Abb. 6). Die Dicke des noch vorhandenen Knochens unterhalb des Gelenkknorpels sollte bei der Ablösung wenige Millimeter dünn sein. Um einen genügend flexiblen Knorpel-Knochen-Lappen zu erhalten, erfolgt eine schonende Ausdünnung mit einer hochtourigen Diamantfräse (Abb. 8). Um den Knorpel hierbei nicht zu schädigen, erfolgt dies unter sanftem Anheben des Knorpel-Knochen-Lappens bspw. mit einer anatomischen Pinzette und unter fortlaufender Spülung.

Ausdünnung des Knochens unter dem Knorpel

Abb. 8: Nach der Abhebung des dünnen Knorpel-Knochen-Lappens, erfolgt die schonende Ausdünnung des Knochens direkt unter dem Knorpel, wobei hier eine Dicke von 2 Millimeter angestrebt wird. Dies erfolgt unter Spülung mit einer hochtourigen Diamantfräse (roter Pfeil nach oben). Zudem erfolgt unterhalb des Lappens die eigentliche Gleitlagerkorrektur in Form einer Vertiefung und Konturierung des in der Tiefe gelegenen Knochens. Dies erfolgt sowohl mit Osteotomie-Meißel als auch mit einer Fräse (roter Pfeil nach unten).

Zwischenzeitlich wird die erzielte Flexibilität des Knorpel-Knochen-Lappens manuell überprüft. Ist ein ausreichend flexibler Lappen erreicht, beginnt die vertiefende Knochenabtragung. Während der flexible Knorpel-Knochen-Lappen angehoben wird, kann die Vertiefung des darunter liegenden Knochens sowohl mit diversen Meißeln als auch mit einer Fräse vorgenommen werden (Abb. 9).

Ausdünnung des Knochens unter dem Knorpel

Abb. 9: Während der flexible Knorpel-Knochen-Lappen angehoben wird, kann die Vertiefung des darunter gelegenen Knochens sowohl mit diversen Meißeln als auch mit einer Diamantfräse vorgenommen werden.

Mit diesem Abtragen und in den zentralen Knochenabschnitten wird eine neue vertiefte Gleitrinne für die Kniescheibe geschaffen und gleichzeitig auch die Asymmetrie der Gelenkflächen des Gleitlagers gezielt ausgeglichen. Die weit außen befindliche Kante der äußeren Gleitlagergelenkfläche wird hierbei nicht reduziert. Hierdurch erzielen wir eine nach innen abfallenden Gelenkfläche und somit eine möglichst stabilisierende Funktion des Gleitlagers (Abb. 3). Zudem sollte die neu geschaffene Furche neben einer individuell angestrebten Tiefe und Lage auch harmonisch geformt sein. Hierunter kann nicht nur ein korrigiertes, eher gerades Gleiten der Kniescheibe erzielt werden. Auch kann der Anpressdruck der Kniescheibe reduziert werden, was voraussichtlich die Prognose hinsichtlich der Entstehung einer Arthrose deutlich verbessert.

 

Nach Abschluss der Knochenabtragung wird der vom oberen Anteil des Gleitlagers angehobene, dünne Knorpel-Knochen-Lappen unter Fingerdruck sanft in die neue Furche eingepresst und glatt anmodelliert. Die harmonische Kontur wird überprüft und evtl. durch ein weiteres Abtragen im Gleitlager nachkorrigiert. Die Fixierung des zurückgeklappten Knorpel-Knochen-Lappens erfolgt mit einem gewebeschonenden, nach wenigen Monaten voll resorbierten Bandmaterial. Über zwei feine Bohrungen an der oberen und unteren Rinne der neu geschaffenen Gleitrinne wird das Band über eine sehr große gebogene Nadel nach außen geleitet (Abb. 10 und Abb. 11). Wichtig ist, dass die für die Fadenverankerung geschaffenen Bohrlöcher genau am oberen und unteren Ende der neu geschaffenen Gleitrinne liegen. Somit läuft auch das Band oben und unten genau in der zentralen Vertiefung des neu geschaffenen Gleitlagers. Über einen zunehmend angezogenen Knoten und ein wiederholtes Anpressen erfolgt das flächige Anmodellieren des Knorpel-Knochen-Lappens. Die finale Verknotung des Bandmaterials erfolgt mit mehreren Halbschlägen. Für die notwendigerweise enorm feste Verknotung auf der in der Tiefe gelegenen Knochenhaut verwenden wir gerne einen arthroskopischen Knotenschieber. Gelegentlich wird, wenn bspw. nach außen hin das Anpressen auf die äußere Kante intensiviert werden soll, auch ein zweites, nach oben außen laufendes Band vorgelegt und verknotet.

Anmodellierung und Fixierung des Knorpel-Knochen-Lappens MPFL
Anmodellierung und Fixierung des Knorpel-Knochen-Lappens MPFL

Abb. 10 und 11: Nach Abschluss der Knochenabtragung wird der vom oberen Anteil des Gleitlagers angehobene, dünne Knorpelknochenlappen sanft in die neue Furche eingepresst und anmodelliert. Die Fixierung erfolgt mit einem voll resorbierbaren Bandmaterial, das vom oberen und unteren Ende der neuen Gleitrinne nach außen geleitet wird. Über einen zunehmend angezogenen Knoten und ein wiederholtes Anpressen erfolgt das flächige Anmodellieren des Knorpel-Knochen-Lappens.

Zu Beginn dieser vor einigen Jahren noch neuartigen Technik standen einige Kollegen diesem Verfahren kritisch gegenüber, da sie durch das Hochklappen des Knorpel-Knochen-Lappens und die sich anschließende Bandfixierung Schäden an den Gelenkflächen erwarteten. Mehrfache eigene arthroskopische Nachuntersuchungen (Abb. 12) sowie diverse Publikationen zeigten jedoch, dass das Bandmaterial in kurzer Zeit regelmäßig vollständig resorbiert wird und v.a. keine Knorpelschäden im Bereich der versetzten und plastisch korrigierten Gelenkflächen auftreten.

Gesunde knorpelige Gelenkflächen nach Arthroskopie MPFL

Abb. 12: Die neu geschaffene Gleitrinne weist in der Arthroskopie sechs Monate nach der knöchernen Korrekturoperation gesunde knorpelige Gelenkflächen auf.

Zur histologischen Beurteilung konnten Schöttle et al. zwei Knorpel-Knochen-Proben sechs und neun Monate nach einer Trochleaplastik entnehmen. Neben einer mikroskopischen Beurteilung der Knorpel-Knochen-Qualität erfolgte eine sog. Konfokalmikroskopie zur Beurteilung der Lebens- und Funktionsfähigkeit der Knorpelzellen. Hier zeigte sich trotz der Abhebung und Ausdünnung des Knorpel-Knochen-Lappens ein normaler feingeweblicher Knorpel-Knochen-Befund mit einer üblichen Knochenheilung. Insbesondere zeigten sich keine abgestorbenen oder krankhaft veränderten Knorpel- oder Knochenzellen.

 

Nachdem die knöcherne Korrekturoperation, also die Trochleaplastik, abgeschlossen ist führen wir regelmäßig auch die Weichteilbalancierung mittels einer Rekonstruktion des Kniescheiben-stabilisierenden MPFL-Bandes durch (siehe MPFL-Bandrekonstruktion). Auch im Rahmen der Trochleaplastik erfolgt die sorgfältige Einstellung und Austestung der Transplantatspannung. Erst wenn der Operateur mit der Beweglichkeit und Stabilität der Kniescheibe zufrieden ist, folgt die endgültige Fixierung des Transplantats (Abb. 13).

Einzug der Sehne in die Kniescheibe
Einzug der Sehne in die Kniescheibe
Einzug der Sehne in die Kniescheibe

Abb. 13: Nach Bohrung der aufeinander zulaufenden, schmalen Tunnel an der Kniescheibe sowie eines Blindtunnels am Oberschenkel wird die Sehne in die Kniescheibe eingezogen. Nach der Passage durch einen Gewebetunnel in der Gelenkkapsel werden die Sehnenenden über die Armierungsfäden und divergierende Ösendrähte eingezogen. Die Fäden und die damit verbundenen Sehnenenden werden in den Knochen eingezogen. An der Oberschenkelaußenseite erfolgt die temporäre Verknüpfung der Armierungsfäden. Nach der Einstellung und Austestung der Transplantatspannung folgt die endgültige Fixierung.

Schließlich erfolgt der schichtweise Verschluss der Kapsel- und Hautschichten (Abb. 14).

Hautnaht

Abb. 14: Nach der Hautnaht mit einem resorbierbaren Faden erfolgt zur Sicherung eines guten kosmetischen Ergebnisses die Auflage von sterilen Klebestreifen.

Abb. 12 Gleitrinne
Abb. 13 Endgültige Fixierung des Implantats
Abb. 14 Hautnaht
Klinische Ergebnisse der Kombination aus Trochleaplastik und MPFL-Bandrekonstruktion

Klinische Ergebnisse der Kombination aus Trochleaplastik und MPFL-Bandrekonstruktion

 

Mittlerweile gibt es neben einer eigenen Studie mehrere Studien, in denen neben der Trochleaplastik routinemäßig in gleicher Sitzung eine MPFL-Bandrekonstruktion erfolgte. Für diese kombinierten Verfahren sind die klinischen Outcome Scores vglw. hoch. Das sog. Kujala-Scoring ist ein Punktwertverfahren zur Beurteilung der Belastbarkeit, einer möglichen Schmerzsymptomatik, etc. im Bereich der Kniescheibe. Alle diese Studien zeigen Werte zwischen 88 und 96 von 100 erreichbaren Punkten. Entsprechend gute Ergebnisse wurde mit anderen Operationsverfahren in allen bis dato bei diesem Krankheitsbild stattgehabten Studien noch nie gezeigt. Bis auf zwei einzelne Fälle einer dänischen Studie zeigten alle bis dato nachuntersuchten Patienten keine erneuten Luxationsereignisse. Auch waren in all diesen Studien bei allen Patienten, bis auf einen Einzelfall, die klinischen Zeichen einer Instabilität nicht mehr nachweisbar. Hingegen zeigen Studien, in denen eine solche Trochleaplastik ohne zusätzliche MPFL-Bandrekonstruktion erfolgte, in 16 bis zu 47% der Fälle weiterhin positive klinische Untersuchungsbefunde für eine Instabilität der Kniescheibe. Ein systematisches Review verglich Studien zu isolierten Trochleaplastiken mit Studien zum kombinierten Eingriff aus einer Trochleaplastik und MPFL-Bandrekonstruktion. Hier zeigten die isolierten Trochleaplastiken gegenüber den kombinierten Verfahren ein schlechteres klinisches Outcome und höhere Revisionsraten.

 

Spannend ist auch das Thema Sport. Die meisten Patienten berichteten von einem neuen, sicheren Stabilitätsgefühl mit Möglichkeit ohne Zurückhaltung den jeweiligen Sport ausüben zu können. In eigenen, aber auch weiteren, Follow-up Untersuchungen kehrt der Großteil der Patienten, teilweise in über 90% der Fälle, nach der kombinierten Operation nach ca. 6 Monaten wieder in ihren vorherigen Sport zurück. Diese Daten stimmen optimistisch. Sie weisen darauf hin, dass die Kombination einer Trochleaplastik mit einer MPFL-Bandrekonstruktion bei richtiger Indikationsstellung ein erfolgversprechendes Verfahren darstellt. Die Möglichkeit, die Transplantatspannung intraoperativ zu testen und anzupassen erachten wir bei unserem Vorgehen als wertvoll. Dies kann das Ergebnis erheblich optimieren.

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